Beseitigungen von Akku-Schäden (Erfahrungsaustausch)

  • Hallo Leute,


    ursprünglich wollte ich @estorm einen gute Anleitung zum entfernen von Akku-Schäden zukommen lassen. Das Problem, ich finde die Anleitung nicht mehr. Es war ein wirklich guter Text aus dem Lager der Flipper-Elektronik. Aus diesem Grund möchte ich das ganze als Aufhänger nehmen und dieser Thread zum Erfahrungsaustausch benutzen. Vielleicht entsteht ein kleiner Leitfaden garniert mit Bildern, damit Hilfesuchende sich ggf. selbst helfen können.


    Zur Vereinfachung des Textes wird im allgemeinen von einem Akku-Schaden geschrieben, aber es sind auch andere Energiespeichertypen anwendbar.


    Einleitung - ( Sicherheitshinweis )


    Bei den Text handelt es sich um Vorschläge und es kann niemand eine keine Garantie auf Erfolg gewähren !

    • 230V GERÄTESTECKER IST VOM NETZ ZU TRENNEN
    • BENUTZUNG VON PERSÖNLICHE SCHUTZAUSRÜSTUNG (HANDSCHUHE UND SCHUTZBRILLE (LAUGEN/SÄUREN) )
    • ZUGANG DER VERUNREINIGTEN TEILEN VOR DRITTE SICHERN (ZB. KINDER/TIERE)
    • BEI UNSACHTMÄßIGER ARBEIT BESTEHT VERLETZUNGS- BZW. LEBENSGEFAHR!

    Es ist ebenfalls zu empfehlen bei den Arbeiten nicht zu Rauchen, zu Essen oder zu Trinken. Nicht vergessen, nach getaner Arbeit die Hände gründlich zu waschen.
    Bei den Arbeiten sind grundsätzlich ein wenig handwerkliches Geschick und Lötkenntnisse notwendig!



    Grundwissen zu Akku-/Batterienschäden


    Das ausgelaufene Sekret einer Energiezelle ist im allgemeinen eine Lauge und nicht wie gerne im Volksmund bezeichnete Batteriesäure.



    Kurze Begriffserklärung Energiespeicher, Akku (Akkumulator), Batterie

    • Akkus und Batterien sind Energiespeicher die etwas mit Spannung versorgen (z.B. eine kleine Uhr)
    • Batterien sind nicht wie Akkus wiederaufladbar
    • Es gibt noch andere Energiespeicher, aber darauf wird in diesem Fall nicht eingegangen.


    Erste Hilfe bei einem entdeckten Akku-Schaden

    • Gerät nicht mehr benutzen !
    • Akku-/Batterie entfernen (Beine mit einem kleinen Platinenseitenscheider durchzwicken)
    • Verunreinigungen mit einen Borstenpinsel vorsichtig abbürsten

    Reparatur des Schadens schnellstmöglich einleiten, um weitere Folgeschäden zu vermeiden.


    Auswirkungen eines Akku-Schaden


    Das Sekret eines ausgelaufenen Energiespeicher ist Ätzend und kann dadurch Beschädigungen an Platine und Bauteile verursachen. Schäden die unentdeckt bleiben, können weitere schwerwiegende Nachfolgeschäden verursachen.



    Vermeidung von Akku-Schäden

    • Prüfen welche Geräte über einen Energiespeicher verfügen.
    • Prüfen welcher Typ von Energiespeicher benutzt wird, da es auch Knopfzellen gibt die Auslaufsicher sind.
    • Prüfen ob der Energiespeicher noch benötigt wird oder gar komplett entfernt werden kann.
    • Min. jedes halbes Jahr das Gerät etwas laufen lassen (Lagerschäden vermeiden, auch z.B. bei Kondensatoren).
    • Alle drei Jahre bzw. früher Akku/Batterie austauschen.
    • Einsatz von auslauffreien/auslaufarmen alternativen Energiespeichern


    Grundlagen der Beseitigung eines Akku-Schadens


    Im Grunde kann das Prinzip bei der Beseitigung eines Akku-Schadens für alle möglichen Computer, Konsolen oder Flipper-Platinen angewandt werden.
    Sobald der Schaden festgestellt wurde, sollte schleunigst der Energiespeicher entfernt werden, damit die Quelle der Verunreinigung verschwindet.
    Es sollte eine Lupe benutzt werden, um grobe Beschädigungen an Platine und Bauteile zu ermitteln. Schäden zeigen sich meisten an Grünspann und am Belag von weißen kristallinen Salzen.


    Im Netz gibt es unterschiedliche Meinung in wie weit Bauteile ausgetauscht werden müssen. So mancher scheint der Meinung zu seien, das eine Dusche mit etwas Wasser reicht.
    Ich persönlich schließe mich nicht dieser Denkweise an ! Leider kann man mit normalen Hilfsmitteln nicht erkennen, wie weit die Verunreinigungen reichen. Es kann sehr aufwendig werden die passenden Ersatzteile zu besorgen und entsprechend auszutauschen. Selbstverständlich kann man ein Bauteil was Grünspann angesetzt hat, einfach abwaschen ... aber weitere Beschädigungen können erst später entstehen, weil man nicht alles unter einem Bauteil richtig entfernen konnte ... Die chemischen Reaktionen sind nicht unbedingt mit dem bloßen Auge erkennbar.


    Vor der Reinigung des verunreinigten Bereiches, sollte betroffene Bauteile entfernt werden und die entsprechenden Lötaugen von Lötresten entfernen. Bei größeren Verunreinigungen kann der Einsatz von einem Glasfaserstift Sinnvoll sein.


    Ich persönlich entferne liebe alle ICs die Gesockelt sind, um spätere mechanische Beanspruchungen zu vermeiden. So kontrolliert man auch, ob darunter Verunreinigungen sind.


    Um die Lauge zu neutralisieren benötigt man etwas Säure. Hierbei hat der Einsatz von 5% Essig-Essenz (z.B. 20% einfach mit 3 Teile Wasser strecken) gute Dienste erwiesen.
    Wenn möglich legt man die Platine für 2-3 Minuten komplett in die Essig-Essenz ein und bearbeitet vorsichtig die Verunreinigten Stellen mit einen Borstenpinsel.
    Bitte bei diesen Arbeiten wirklich Handschuhe tragen. Die menschliche Haut ist sehr empfindlich gegenüber ätzende Stoffe.


    Nach dem kleinen Bad einfach den Bereich mit normalen oder besser noch destillierten Wasser spülen.
    Die Restflüssigkeiten soweit wie möglich trocken tupfen. Jetzt wird das ganze nochmal mit Alkohol (Isopropanol) oder Brennspiritus abgewaschen, damit das letzte Wasser aus allen Ecken verdrängt wird.


    Die Platine sollte nun gut getrocknet werden. Entsprechend der Umgebung (Warm und Trocken) kann es ein bis drei Tage dauern. Bitte nicht versuchen mit einen Heißluftfilm die Trocknungszeit zu beschleunigen. Das vertragen die meisten Platinen und Bauteile nicht so gut.


    Nachdem alles trocken ist, sollten der Bereich der ursprünglichen Verunreinigung wieder unter die Lupe genommen werden. Ziel der Prüfung, ob Beschädigungen an den Leiterbahnen oder Lötaugen erkennbar sind. Zur Kontrolle hilft neben einer Lupe auch ein Multimeßgerät, um Kontakte zwischen Leiterbahnen und Lötaugen zu prüfen. Bei der Reparatur kann ein Glasfaserstift zum entfernen von Lack-/Schutzüberzug der Platine und ggf. Silberstift hilfreich sein.


    Zum Schluss werden wieder alle fehlende Bauteile durch neue Bauteile eingebaut. ICs die vielleicht vorher ohne Sockel einsetzt waren, sollte nun mit einem Sockel ausgestattet werden.



    Weitere Erfahrungen, Zusätze, Fehler und weitere Vorschläge


    Bitte gibt euren Senf zu meinen oberen Text oder schreibt eure Erfahrungen in den Thread. Bilder von verunreinigten Bauteilen / Platinen sind gerne gesehen ;-), ebenfalls vor und nachher Bilder.



    Erfahrungsbericht eines Amiga 2000 Akku-Schadens.


    Bild: defekter Akku im Amiga 2000



    Bild: defekter Akku im Amiga 2000 aus einer anderen Sicht


    Zum Glück war der betroffene verunreinigte Bereich des Akku-Schadens eher klein. Nachdem die Hauptplatine des A2000 komplett ausgebaut war, wurde der Seitenschneider angesetzt und die Beinchen des Akkus durchgezwickt.



    Bild: Grünspann am Widerstand R914


    Der Widerstand R914 hat gut Sichtbar auf der linken Seite Grünspann angesetzt und wurde ebenfalls entfernt. Die Lötlocher des Akkus und Widerstandes wurden frei gelötet.



    Bild: betroffenen Bauteile wurden entfernt



    Bild: Vor der ersten Dusche wurden alle ICs aus ihren Sockeln entfernt.



    Bild: auch der Mugg benutzt Handschuhe ;-)



    Bild: Das gute Zeug aus dem Supermarkt.


    Leider hatte ich kein Gefäß um das ganze Board versenken zu können, daher gab es eine Flaschenmischung 1 Teil Essig, 3 Teile Wasser zum Spülen. Mit einem Küchenschwamm habe ich die betroffene Stelle bearbeitet. Nach mehrfacher Spülung wurde das Board trocken getupft und mit einem kräftigen Schluck Alkohol nachgespült.



    Bild: Dieser Rechner hat kein Akku mehr bekommen, sondern eine Knopfzellenvariante.


    Knopfzellen haben den Vorteil das diese nicht Auslaufen. Bei Bedarf kann die Knopfzelle kostengünstig und ohne Lötkolben ausgetauscht werden. Die Spannung einer CR2032 ist etwas geringer als der ursprünglicher Akku, aber beim Amiga funktioniert das ganze tadellos. Beim Amiga 2000 wird der Akku nur für die Zeit und Datum benötigt. Im Grunde hätte man auch auf einen Energiespeicher verzichten könnten.


    Komplette Bildergalerie



    Bei der ganzen Aktion habe ich eine Sichtprüfung der Kondensatoren gemacht, ob inzwischen einer der alten Blechhüte dicke backen macht. Einer der Joystickports wurde ebenfalls ausgewechselt.

  • Was ebenfalls zum Thema passt ist ein MPU Board aus meinen Bally Space Invaders Flipper.


    Ich habe dieses Flipper voll Funktionsfähig erstanden. Das war so eine Art Zufallskauf über einen Vereinskameraden, der wiederum jemand Kannte usw :-) ...
    Der Punkt, die Kiste lief und ich habe mir die Elektronik nie so 100% angesehen.
    Vor Weihnachten 2015 hatte ich mir vorgenommen etwas für die Flipper-Elektrik zu machen, da auch 230V Anschlusskabel mit der Zeit brüchig werden kann. Witziger weise sieht der Teil noch recht gut aus, aber der der Sound des Flippers nicht mehr so richtig wollte, habe ich mir die Steuerungsplatinen genauer angesehen. Um es kurz zu machen, mich hat der Schlag getroffen und im Nachhinein ärger ich mich über mich selbst, weil ich damals nicht richtig hinein geschaut habe.


    Jetzt bin ich umso mehr mit der Platine beschäftigt und versuche Ersatzteile zu besorgen, da ich ca. 110 Bauteile austauschen werde ...



    Bild: Für die Ätzwirkung am Rand benötigt man nicht mal eine Lupe



    Bild: Noch mehr Randschäden ...



    Bild: Wie gesagt, das Board an sich funktioniert. Der Vorbesitzer hat nur grob den Schaden weggepinselt und einen neuen Akku eingebaut.



    Bild: Viele angeätze Punkte ...



    Bild: Der sogenannte Grünspann am Widerstand blüht kräftig auf.



    Bild: Kurzer Prozess mit dem alten IC Sockel



    Bild: Das grauen sieht man auch ohne Markierung.


    Beim Entlöten von einigen stellen musste ich nicht mal viel hitze ansetzten, damit Leiterbahnen bzw. Lötaugen sich lösten :(.


    Grüße,
    Mugg



    Flipper-Board-Bilder

  • Hallo Mugg!


    Vielen vielen Dank, dass du an mich gedacht hast. Das A3K-Board liegt immer noch unbehandelt dar - und ich bin immer ratloser.
    Das von Dir empfohlene Neutralisieren ist z.B. im A1k-Forum sehr umstritten. Ausgangsbasis dort:
    a) Es ist schwer zu messen, wann Säure und Lauge neutral zueinander werden....
    b) vor allem wenn man das Board in Essig "taucht", dann wären unheimlich viele nie "gelaugte" Bereich plötzlich angesäuert....


    Falls doch neutralisieren, dann gehen die Meinungen von 5%-20% Essig auseinander. Dann wird wiederum argumentiert, dass Essig schlecht wäre, Zitronensäure viel besser (z.B. aus der "Plastikzitrone") .....


    ..nur bei Kontakt-WL sind sich alle einig ;)


    Ansonsten hab ich ein ausführliches, mehrteiliges Video bei Youtube gefunden. Echt Klasse! Übersteigt nur bei weitem meine Fähigkeiten als "natural born Grobmotoriker":




  • ganz interessant hier zum Thema ausgelaufene Batterien: was ist eigentlich dies weisse Kristallzeug?
    "Aus Zink-Kohle-Batterien läuft Ammoniumchlorid aus, auf Alkalibatterien lagert sich Kaliumcarbonat (Pottasche) ab. Beide Chemikalien sind durch ihre Verwendung in der Küche als Backzusatz zum Weihnachtsgebäck bekannt und bergen lediglich geringe Gefahren. "


    aus http://www.umweltbundesamt.de/…n-keine-gesundheitsgefahr

    War dabei :thumbsup: : 72/78 HomeCons - Teilnahmequote 92,3%.
    Been there, played that. And cleaned the BBQ - again.

  • ich hatte ein altes Transistorradio, in dem Batterien ausgelaufen waren. Das weisse Kristallzeug ließ sich mit einem in verdünnter Zitronensäure getränktem Lappen besser abwischen als mit reinem Wasser. Danach mit viel Wasser neutralisieren. Die Verätzungen an den Kontakten ließen sich mit den üblichen Rostlösern/-umwandlern, z.B. Fertan (nach Ausbau der Kontakte) wieder einigermaßen hinkriegen. Nur abschleifen macht es m.E. empfindlicher gegen Korrosion.
    Auf Platinen ist das natürlich wesentlich schwieriger, siehe die Beiträge oben. Aber auch da gilt: ausbauen was geht, denn oft hängt der Rott unter den Bauteilen und da kommt man kaum hin bzw die Reinigungsreste auch nicht wieder raus.

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  • Grundsätzlich finde ich es Klasse wenn sich jemand so viel Arbeit macht und gerade Videos erstellt.
    Ich habe schon ein anderes Video, wegen Kondensatorentausch, von ihm gesehen. Er scheint gerne Lötlitze oder auch Sauglitze zu benutzen. Etwas was ich niemanden empfehlen würde. Das ist sehr speziell und kann durch zu viel Hitze einiges an weiteren Schäden verursachen. Befürworter der Lötlitze würden dagegen sprechen und die Gefahr bei Lötpumpen hervorheben das Lötaugen weg gesaugt werden könnten. Stimmt, aber gerade wenn was weg ist, weiß man das etwas nicht in Ordnung ist ;-).


    Die Frage zu Lauge, Säure usw ... es ist unter Umständen eine Glaubensfrage, aber ich selbst habe das obere Verfahren angewandt und habe gute Erfahrungen gemacht. Zitronensäure wird bestimmt besser riechen als Essig :D.


    Für mich persönlich ist das neutralisieren von Lauge und Säure schlüssig, daher würde ich so ein Verfahren weiter anwenden. Die Konzentration ist hingegen eine andere Frage. Die Anleitung die ich damals gelesen habe, war für mich logisch das ich dem Prinzip gefolgt bin. Da war die Rede von 5%, aber es gibt den Spruch viel hilft viel !? Aber man sollte sich auch vor Augen halten, was für Mengen lauge aus so einen Energiespeicher raus kommt. Die Ätzwirkung ist nicht ohne, aber um andere Beschädigungen vorzubeugen würde ich eher bescheidener ran gehen.


    Wenn man eine Platine kurzzeitig in Essigsäure badet, wird es natürlich kurzzeitig Wirkung zeigen. Gerade die ungeschützten Bereiche mit den Laugenbeschädigungen sollten betroffen sein. Der Rest sollte z.B. durch Lötlack eher geschützt sein, weil es nur eine kurzzeitige Reaktion der Säure gibt. Die Lauge hatte ja Monate oder Jahre Zeit zum wirken.


    Anderes gesagt, die Säure wirkt gegenüber der Lauge schneller, als das sie Ätzend gegenüber Platine/Bauteile ist.


    Wichtig hierbei ist ebenfalls das Abspülen mit Wasser, damit nichts mehr ätzen kann. Das ganze muss ebenfalls gut getrocknet werden, um Kurzschüsse und ggf. Korrosion vorzubeugen.


    Es ist ein schwieriges Thema und auch hier gilt, frage 3 Leute und es gibt 20 Meinungen ;-).


    Deswegen interessiert es mich auch, was es für andere Wege gibt. Ich persönlich bin auch offen für andere Wege.


    Grüße,
    Mugg